HOTEL UND KULTBISTRO HIRSCHEN, AARBERG
Was den Hauptstädtern ihre «Front » am Bärenplatz, ist den Aarbergern Ihr «Stedtli ». Rund um den Stadtplatz reiht sich Restaurant an Restaurant, und mit dem seit Jahren stattfindenden «Stars of Sounds » besitzt die Kleinstadt gar ein eigenes Open Air. Um Gastronomie und Musik geht es auch im «Hirschen ». Das Restaurant wurde nach einem längeren Leerstand unlängst als «Kultbistro » inklusive sieben Hotelzimmern neu eröffnet.
Als Boutique Hotel setzt der «Hirschen » auf individuelle Zimmerausstattungen. Musikfans werden sich vor allem für das Zimmer 4 begeistern. Hier dienen Snare Drums als Nachttischchen, eine Basstrommel als Bistrotisch, und über dem Bett prangen die Autogramme von Büne Huber und anderen Musikern. Auch Geschäftsführerin Ema Baptista hat den Rhytmus im Blut. Die gebürtige Portugiesin stammt aus einer Familie von Berufmusikern und war in jungen Jahren Leadsängerin einer Rockband. Seither hat sie vielfältige Erfahrungen in der Hotellerie gesammelt und ihren Beruf on the Job gelernt: « Ich bin Gastgeberin aus Überzeugung. Eine familiäre, herzliche Atmosphäre sit mit sehr wichtig.» Gemeinsam mit Küchenchefin Valeria Cali kümmert sich Baptista um das Wohl der Gäste. Der «Hirschen » setzt vor allem auf italienische Küche. Neben Lammfilet, Schwertfisch oder Risotto mit Feigen und Speck gibt es auch eine Cataplana. Der traditionelle portugiesische Eintopf mit Fisch und Meeresfrüchten kommt in einer grossen Kupferpfanne auf den Tisch.
Als traditioneller Marktort besass Aarberg schon zu Zeiten der alten Eidgenossenschaft zwei Hotels. Das älteste Gasthaus in Aarberg, die « Krone », wird erstmals im 13. Jahrhundert erwähnt. Etwas später folgen Hinweise auf den «Falken». Eub «Hirschen » in Aarberg wird in den Amtsrechnungen der Berner Landvögte erstmals 1547 genannt. Dabei handelte es sich um eine Pintenschenke. Solche «Pintli» durften in der Regel lediglich Getränke ausschenken, das Servieren von Speisen war ihnen nur ausnahmsweise erlaubt. Die bernische Wirtschaftsordnung von 1628 führte zu einer starken Dezimierung dieser Lokale. Der Stadt Aarberg wurden neben den beiden etablierten Gasthöfen nur noch zwei Pintenschenken zugestanden.
Nicht nur die gnädigen Herren von Bern, auch die Beamten der Helvetik überwachten die Anzahl der Wirtschaften streng. Ein 1803 erstelltes Generalverzeichnis nennt für Aarberg neben den beiden Gasthöfen lediglich drei Pintenschenken. Erst mit der neuen BernerVerfassung von 1831 wurde die Gründung neuer Lokale erleichtert und das System der Wirtepatente eingeführt. Ein 1858 entstandenes Foto zeigt die vom Aarberger Stadtbrand verursachten Schäden.Das Haus am Stadtplatz 32, der heutige «Hirschen», ist deutlich zu erkennen. Nach dem Brand wurde das Haus Wiederhergestellt. Vermutlich befand sich im Erdgeschoss seither permanent ein Restaurant, die Obergeschosse nutzte man für Wohnungen.
Bei der Sanierung im Jahr 2012 wurde die Gaststube von alten Wandverklei- dungen befreit. Ein Ausschnitt in der Geschossdecke öffnet den Blick ins neue «Säli» im ersten Stock und bringt eine erstaunliche Weite in den schmalen Raum. Der Umbau der alten Wohnungen in Hotelzimmer gestaltete sich anspruchsvoll, weil Grundrisse und historische Bausubstanz erhalten bleiben sollten. Unter Einbezug des alten Tragwerks und der Mauern hat nun jedes Zimmer eine eigene Dusch- Oder Badewanne erhalten. Die schlichte Fassade fügt sich nahtlos zwischen den Nachbarbauten ein.
Mit dem eindrücklichen Bruchsteinmauerwerk im Speisesaal, den Holzständerkonstruktionen im Treppenhaus und den sorgfältig freigelegten Feuerstellen aus alten Zeiten beweist das Haus Viel Charme. Im «Hirschen» kommt zudem die Musik- und Filmgeschichte zu ihrem Recht. Auf dem Weg zu seinem Zimmer erspäht der Gast zum Beispiel eine goldene Schallplatte der Beatles, ein signierte Porträtfoto von Madonna Oder ein Filmplakat mit Gary Cooper. Der schweigsame Sheriff aus «High Noon» sieht hager und hungrig aus. Bestimmt könnte er eine gute Cataplana vertragen.
Quellen
Amtsrechnungen Aarberg. Staatsarchiv des Kantons Bern. Sig. B VII 844 (1521-1539) und B VII 845 (1541-1570).
Generalverzeichnis mit Gutachten, Vorstellungen, Gesuchen und Akten über die Wirtschaftsrechte im Kanton Bern (Ämter Bern, Seftigen, Saanen, Schwarzenburg, Laupen, Biiren, Aarberg, Fraubrunnen und BurgdorD, 1803. Staatsarchiv des Kantons Bern (Sig. B V 152).
Stürler, Moritz von (1975): Die konzessionierten Wirtschaften im Kanton Bern. In: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde, Bd. 37 [Edierter Nachdruck von Stiirlers Originalgutachten von 1876]
Weibel, Oscar Arnold (1994): Mys Stedtli. Erinnerige us em alte Aarbärg. Langnau: Verlag Emmentaler Druck.
Zitat
«ln Aarberg gibt es eher wenig Hotelbetten. Wir möchten deshalb ein neues Angebot schaffen und unseren Gästen eine schöne Verbindung von Essen, Kultur und Gastfreundschaft bieten.»